zurück

Der Modell-Segelmacher

 

  1. Segel im Original

  2. Herstellung von Modellsegeln
    2.1 Material und Färbung
    2.2 Zuschnitt Nähen und Ausstattung
    2.3 Anschlagen

 

Sorgfältig gefertigte Segel sind nicht nur Bedingung für optimale Segeleigenschaften eines Fahrmodells, sondern prägen durch ihre herausragende Stellung wesentlich das Bild des ganzen Schiffes. Leider finden sich gelegentlich selbst in berühmten Museen schöne Modelle, deren Gesamteindruck durch mangelhafte Segel empfindlich beeinträchtigt wird. Oft sind sie inkorrekt im Schnitt, unpassend gefärbt, aus zu grobem Material, zu wenig detailliert oder gar flüchtig genäht. Tatsächlich verspüren manche Modellbauer ein Unbehagen, wenn sie ans Segelmachen denken. Dabei verfügt jeder, der in der Lage ist, ein entsprechendes Modell zu bauen, über das nötige handwerkliche Geschick zur Herstellung befriedigender Segel. Der Umgang mit den wenigen speziellen Utensilien, ja selbst mit der Nähmaschine, lässt sich leicht erlernen. Das wirkliche Problem liegt wohl eher in dem trügerischen Gefühl, nachdem nun Rumpf und Rigg erstellt seien, wären "nur noch rasch die Segel zu nähen". Dabei ist das Segelmachen im Modellbau wie in Wirklichkeit eine wichtige Arbeit, die nebst vielerlei Kenntnissen auch die nötige Ausdauer erfordert. Hat man sich aber einmal darauf eingestellt, nicht einfach das Werk "noch schnell zu beenden", sondern mit Geduld und Sorgfalt Modelle von Segeln anzufertigen, wird der Erfolg nicht ausbleiben.

 

 

1. Segel im Original

 

Da Kenntnisse über das traditionelle Segelmacherhandwerk hilfreich sein können für die Herstellung von Modellsegeln, seien hier einige Informationen über die im Original verwendeten Materialien, Werkzeuge und Arbeitstechniken vorausgeschickt:

Als Material wurde meistens feste Leinwand (manchmal noch mit Hanf verstärkt), verwendet. Die Leichtwettersegel (auf amerikanischen Schiffen oft sämtliche Segel) wurden gelegentlich auch aus Baumwollgewebe hergestellt. Geliefert wurde das Tuch in Ballen, 35.6m lang und 0.56 - 0.76m breit. Die 6 - 8 gängigen Qualitäten unterschieden sich durch ihr Stoffgewicht zwischen 0.58 und 0.35kg pro Laufmeter.

 

Segelmacher mit einem Ballen Leinwand >>

  

Die Werkstatt der Segelmacher befand sich gewöhnlich auf dem Dachboden eines Werftgebäudes. Dort wurden die Bahnen in ihrer vollen Länge ausgelegt und entlang der Kreidezeichnung auf dem Estrich zugeschnitten. Ein wesentlicher Teil der Kunst eines erfahrenen Segelmachers bestand bereits darin, die nötigen Zugaben zu machen, die für eine optimale Wölbung des fertigen Segels sorgten.

 

 

<< Sail-Loft, Mystic Seaport, USA: Um den Boden frei zu halten, ist der Ofen an der Decke aufgehängt.

 

Beim Zusammennähen der Bahnen sass der Segelmacher auf einer hölzernen Bank ohne Lehne, an deren einem Ende sein einfaches Werkzeug in Löchern steckte (Abb. 1): Ein Prick (sinnigerweise Meuchelmörder genannt) um Gatchen zu stechen (1), bis über 17cm lange, dreikantige Nähnadeln(2), ein Segelmacherhandschuh aus Leder mit Metallauflage zum Schutz der Handfläche beim Durchstossen der Nadel (3), diverse Fids (4)und Marlspieker (7) aus Holz und Walknochen als Hilfen beim Festziehen von Schlingen oder Spleissen, und schliesslich ein spitzes Messer (5). Ein Segelhaken hielt die Arbeit unter Zug (6).

 

Das Fertigen der Segel aus einzelnen Bahnen (oder Kleidern) bot grössere Sicherheit gegen das Verziehen und begrenzte die Ausdehnung von Rissen; vor allem aber konnte durch Verminderung der Saumbreite gegen das Zentrum des Segels hin ein korrektes Profil erzielt werden. Die Säume massen zwischen 3.5 bis 9cm, schmäler an den flach geschnittenen Rahsegeln, breiter an den stärker gewölbten Schratsegeln. Die Stichlänge betrug bis 2.5cm. Bei älteren Schiffen folgte der Lauf der Bahnen meist dem Achterliek (an Rahsegeln war er senkrecht; Abb. 3 a); Schratsegel mit einem stumpfen Schothornwinkel (häufig Klüver, Aussenklüver und Flieger) waren gewöhnlich zusammengesetzt mit Bahnen parallel zum Segelfuss und Achterliek. Leichtere Dreiecksegel (Aussenklüver, Gaffeltoppsegel) wurden später oft sternförmig genäht, damit sich der dünnere Stoff weniger verzog (Abb. 3 c).

Mit Ausnahme des Achterlieks waren die Ränder wie auch die Ecken der Segel durch zusätzlich aufgenähte, gefaltete Bahnen verstärkt (1). Aehnliche Verstärkungen (2+3) sicherten die Reffbändsel oder schützen exponierte Teile vor dem Schamfielen (z.B. am Mast, an Bulinen usw.; Abb. 3).

Entlang der Aussenkanten der fertigen Segel wurde nun das Liektau (4) angenäht. Bei Rahsegeln befand es sich immer auf deren Rückseite, bei Schratsegeln backbords, damit das Segel selbst bei Dunkelheit immer richtig gesetzt werden konnte. An Kopf, Hals und Schothorn waren Kauschen eingespleisst, bei Rahsegeln oft auch Ringe oder Brilleneisen; Gatchen, Legel  (7)und Reffbändsel (8) vervollständigten die Ausrüstung.

Für kleinere Arbeitsfahrzeuge (z.B. in der Fischerei) wurden die fertigen Segel oft mit Eichenrindenabsud, Catechou (Indisches Akazienharz), Ocker oder - besonders in nordischen Gewässern - verdünntem Holzkohlenteer gebeizt, wodurch der Stoff eine braune, braun-rote oder gelbbraune Färbung annahm. Für weisse Segel wurde Alaun verwendet. Alle diese Behandlungen verbesserten einerseits die Witterungsbeständigkeit des Segeltuchs. Anderseits erleichterten die regional verschiedenen Vorlieben für bestimmte Tönungen auch das Erkennen der Fahrzeuge auf See.

 

 

2. Herstellung von Modell-Segeln

 

Wie erwähnt, fällt das Nähen der Segel gewöhnlich in die letzte, von ungeduldiger Erwartung der Fertigstellung erfüllte Phase eines Modellbauprojekts. Hier droht ganz besonders das trügerische Gefühl: „Jetzt nur noch schnell die Segel, dann kann der Stapellauf erfolgen!" Modellsegel sorgfältig und korrekt anzufertigen bedingt aber tatsächlich einen nicht zu unterschätzenden Aufwand. Gemessen an ihrer Bedeutung für das Aussehen und die Funktion eines Schiffes ist dieser allerdings sicherlich gerechtfertigt. Gut geplant und mit Geduld angegangen dürfte die Arbeit einem geübten Modellbauer auch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten. Das gelungene Werk schliesslich lohnt alle Mühe durch Aufwertung des ganzen Bildes eines Modells und trägt auch entscheidend bei zu guten Segelleistungen.

 

 

2.1 Material und Färbung

Die erste Schwierigkeit besteht in der Wahl des Materials. Da die Gewebestruktur am Modell leicht überdimensioniert wirkt und die Segel zu schwer werden, kommen nur sehr feine Stoffe in Frage. Synthetische Textilien weisen meist einen unnatürlichen Glanz auf und lassen sich schlechter verarbeiten. Baumwolle dagegen ist sehr handlich und lässt sich ausgezeichnet färben. Während Gewebe wie Batist gut für Flaggen geeignet sind, ist Popeline wegen ihrer dichteren Webstruktur für Segel das Beste. Hier lohnt es sich allerdings, mehrere Geschäfte aufzusuchen, um wirklich die feinste Qualität (wie sie z.B. für teure Herrenhemden verwendet wird) zu erhalten. Um ein späteres Schrumpfen zu vermeiden, sollte man den Stoff vor Gebrauch auskochen.

Das zweite Problem besteht im Färben des Stoffs. Während die vor allem von amerikanischen Schiffen gefahrenen Baumwollsegel ziemlich weiss waren, wies die sonst meist verwendete Segelleinwand einen grau-beigen Grundton auf, oft gar mit einem leicht grünlichen Einschlag, welcher vom durch Feuchtigkeit und schlechte Lüftung (Segelkammern!) hervorgerufenen Schimmel herrührte. Durch Tauchen in konzentriertem Tee lassen sich ganz ansprechende Resultate erreichen; allerdings bleicht die Färbung im Laufe der Jahre unter Einfluss des Sonnenlichts ziemlich stark. Deshalb sind eher synthetische Stoffarben (z.B. Dylon) zu empfehlen. Durch Anwendung einer verdünnten Mischung gelöster Fertigfarben - z.B. Grau (ca 2 Teile) und Beige (ca 1 Teil) sowie Spuren von Grün - lässt sich der gewünschte Grundton recht gut treffen. Die mit Catechou gebeizten Segel kleinerer Arbeitsfahrzeuge dagegen benötigen ein kräftiges Rotbraun. Rostspuren im Bereiche von Metallteilen, die verstärkte Verschmutzung von Säumen und Schothörnern oder Scheuerstellen an Wanten und Stagen können schliesslich am fertigen Segel mittels stark mit Wasser verdünnter Acrylfarbe imitiert werden (zuerst an Muster ausprobieren!). Es lohnt sich, jedes für ein Segel benötigte Stoffstück einzeln zu färben. Obschon in Wirklichkeit die unteren Segel von Wind und Wetter mehr gebleicht waren als die seltener gesetzten Leichtwettersegel, bewährt es sich, die oberen Segel etwas heller einzufärben, um damit den Eindruck eines leichteren Gewebes vorzutäuschen.

 

 

2.2 Zuschnitt, Nähen und Ausstattung

Mit Vorteil stellt man anhand des Segelrisses zuerst für sämtliche Segel Schablonen aus festem Papier her, auf denen auch alle Bahnen und Verstärkungen eingezeichnet werden. Damit das Segel eine Wölbung ausbilden kann, müssen gewisse Kanten mit einem leichten, bogenförmigen Zuschlag geschnitten werden, dessen Maximum bei einem Drittel bzw. der Hälfte der Lieklänge liegt (Abb. 4). Es empfiehlt sich, die Papiersegel vor Gebrauch noch am Modell selbst zu überprüfen. Beim groben Zuschneiden der Stoffstücke ist dann unbedingt auf den Fadenlauf zu achten: Die Kette des Gewebes muss parallel zu den Bahnen des Segels liegen. Nur so wird sich das Segel nicht verziehen und ist es möglich, ab einem Massstab von ca 1:32 auch die Bahnen, die besonders im durchscheinenden Licht sehr realistisch wirken, anzudeuten.

Zum Nachahmen der Bahnen wird der gut gestärkt und gebügelten Stoff mittels einer Stecknadel und eines Stahllineals vorsichtig und exakt parallel zum Fadenlauf der Kette geritzt; so lässt er sich ausgezeichnet falten. Nun wird das Gleiche von der Rückseite in dem der gewünschten Saumbreite entsprechenden Abstand wiederholt und das Tuch in einer Z-förmigen Falte zurückgelegt(Abb. 5). Meist ist es nicht einmal mehr nötig, den "Saum" vor dem Nähen glattzubügeln. Mit Hilfe einer zuverlässigen Nähmaschine (wenn möglich mit Anschiebetisch), etwas Uebung und Konzentration gelingt es leicht, präzise am Faltenrand zwei parallele Nähte anzubringen (es lassen sich so Säume von nur 1.5mm Breite anfertigen). Eine Lehre aus Papier, am Nähfuss angeklebt, kann dabei eine wertvolle Hilfe zum Führen des Stoffes sein. Bei grösseren Segeln ist es sogar möglich, durch Verschmälerung der Falten gegen die Segelmitte hin das Profil zu beeinflussen. Wichtig ist es, beim Nähen eine möglichst geringe Fadenspannung zu wählen (gerade so, dass sich noch keine Verwicklungen einstellen), damit die Naht am fertigen Segel nicht zusammengezogen wird. Für ein reibungsloses Arbeiten müssen auch Nadelgrösse und Fadenstärke aufeinander abgestimmt sein (ausprobieren oder Fachfrau fragen!). Leider ist es nicht möglich, mit einer Nähmaschine die gleiche Stichart auszuführen wie bei alten Originalen (Abb. 3/10); am geeignetsten scheint ein feiner Geradstich (Stichlänge z.B. 0.5-0.75mm). Dieser führt auch nicht noch zusätzlich zu einer optischen Verbreiterung der Säume wie etwa ein Zickzack-Stich. Bei Modellen in grossem Masstab, z.B. 1:12, könnte natürlich auch von Hand genäht werden. Erst nachdem alle Bahnen fertig sind, erfolgt das genaue Zuschneiden nach dem Muster und das Nähen der Lieksäume. Damit die Segel ein aerodynamisches Profil erhalten, müssen gewisse Kanten leicht gerundete Zugabe erhalten (Abb. 4). Eine zu geringe Rundung lässt das Segel killen, eine zu grosse macht es zu bauchig.

Auf zeitgenössischen Photographien ist zu erkennen, dass sich die Farbe des Garns vom Segel praktisch nicht abhebt. Werden allerdings die Bahnen nur durch Nähte angedeutet, was - besonders in kleinem Massstab - auch durchaus ansprechend aussehen kann, muss der Farbton etwas dunkler gewählt werden, da sonst die schöne Bahnenzeichnung nicht zur Geltung kommt. Als Faden ist feines, fusselfreies Polyester-Material vorzuziehen, welches im Gegensatz zu einem Garn aus Naturfasern bei Feuchtigkeit nicht schrumpft.

Wenn schliesslich sämtliche Verstärkungen entsprechend dem Vorbild aufgenäht sind (Abb. 3/1), wird die steife Stärke ausgewaschen und das Segel gebügelt. Darauf folgt die Ausrüstung mit dem Liektau (Abb. 3/4 u. Abb. 5). Bei Standmodellen könnte dieses aufgeklebt werden; soll das Segel aber flexibel bleiben, ist das Nähen nicht zu umgehen. Zwar ist dies mit der Maschine durch eine sogenannte Overlock-Naht und eine am Nähfuss befestigte Drahtöse zur Führung des Liektaus sehr rasch geschehen; der dabei unvermeidlich über dem Liektau verlaufende Faden ist aber ziemlich störend. Beim Nähen von Hand mittels Stichen durch das Liektau und einen Teil des Segelsaums bleibt die Arbeit praktisch unsichtbar (Abb. 6). Dass das Liektau beim Original nicht an allen Lieks dieselbe Dicke aufweist, kann im Modell wohl vernachlässigt werden. Hingegen ist nicht zu vergessen, an Kopf, Hals und Schothörnern die nötigen Kauschen, Ringe oder Brilleneisen einzuspleissen (Abb. 3/5+6).

Die Kauschen können aus kurzen Abschnitten dünnen Alurohrs hergestellt werden (über einem eingeführten Draht durch Rollen unter einem Messer leicht abzuschneiden). Ein einfaches Werkzeug, selbst hergestellt aus zwei konisch abgedrehten Messingrundstäben, formt die Kausch vor, welche dann mit einer Flachzange noch etwas zurechtgedrückt wird. Legel (Abb. 3/7)und Reffbändsel sind ebenfalls leicht anzufertigen. Da es im Modell kaum möglich ist, einen echten Krähenfuss (Abb. 3/8) herzustellen, werden Reffbändsel meist einfach durchgezogen und mit einem Tropfen unsichtbaren Leims so fixiert, dass sie weder herausrutschen noch in unnatürlicher Weise vom Segel abstehen können. Zuletzt wird das fertige Segel mit einem silikonhaltigen Spray imprägniert.

 

 

2.3 Anschlagen

 

Während die Befestigung der Segel an Standmodellen direkt wie beim Vorbild erfolgen kann, sind auf Fahrmodellen teilweise kleine "Kunstgriffe" nötig, damit bei stürmischen Verhältnissen gewisse Segel gerefft oder geborgen werden können.

Stagsegel waren mittels Stagreitern (Abb. 3/9) am betreffenden Stag angebracht. Wenn nötig lassen sich diese durch unauffällige Haken ersetzen. In gewissen Fällen besteht auch die Möglichkeit, das Stag zu lösen und „auszufädeln".

Gaffelsegel wurden meist an hölzernen Mastbändern befestigt). Auf kleineren Fahrzeugen, besonders in Frankreich und den Mittelmeerländern, fand an ihrer Stelle auch eine einfache Reihleine Verwendung. Der Fuss der Gaffelsegel wurde entweder lose gefahren oder - im Falle einer Rollreffeinrichtung - an einem hölzernen Jackstag am Baum angeschlagen. Während es schwieriger ist, ein Bindereff im Modell praktisch einzusetzen, sind für Rollreffs funktionsfähige Varianten möglich.

Rahsegel dagegen waren mit Bändseln an den Rahen angeschlagen. In ihren Kopfsaum kann ein Draht eingearbeitet werden mit angelöteten Häkchen, welche unter das Jackstag auf der Rah greifen (Abb. 2/1+2). Die Zeisinge, über den Häckchen drapiert, machen das Ganze praktisch unsichtbar. Durch Anheben lassen sich die Segel leicht aushängen. Zudem bestünde die Möglichkeit, an ihrer Stelle eine Attrappe eines zusammengefalteten und auf der Rah festgezurrten Segels anzubringen, wodurch auch bei reduzierter Segelfläche ein vorbildgetreuer Eindruck gewahrt bleibt (für diese Attrappe sollte höchstens ¼ Stoff verwendet werden, damit sie nicht zu dick wird!).

 

top

Franz Amonn, 1999

zurück